Berlin, 19. Februar 2018 – Kommentar von M.K. Tayyib Demiroglu, Vorsitzender Deutsch-Türkische Jungdiplomaten e.V. in der HuffingtonPost Deutschland (Original hier):
Das Gespräch dauerte lediglich eine Stunde mit kurzer Pressekonferenz im Anschluss. Am Donnerstag traf der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt. Während die Regierungsbildung in Berlin nur langsam voranschreitet, legen die geschäftsführende Bundesregierung und die türkische Regierung ein hohes Tempo in den bilateralen Beziehungen an den Tag. So nahm die Frequenz an persönlichen Treffen in unterschiedlichen Konstellationen in den letzten Wochen enorm zu. Die Liste an Gesprächs- und Konfliktthemen ist lang – das wurde zuletzt auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz immer wieder deutlich.
Dialog statt Alleingang: Die Türkei darf sich nicht isolieren
Trotz Meinungsverschiedenheiten bilden regelmäßige Gespräche zwischen den Regierungen eine notwendige Grundlage für die bilateralen Beziehungen. Durch konstruktiven Austausch auf Augenhöhe kann dem rhetorisch aufgebauten Feindbild über den Westen in der türkischen Gesellschaft teilweise der Nährboden entzogen. Das ist wichtig, denn das tiefe Misstrauen gegenüber befreundeten westlichen Staaten in der Türkei wurde in der Vergangenheit immer wieder für innenpolitische Ziele missbraucht.
Dabei wurde versucht die türkische Gesellschaft nach außen hin zu isolieren. Gerade befreundete Staaten müssen dieser gefährlichen Entwicklung entgegentreten und dazu beitragen, dass sie als solche in der türkischen Gesellschaft wahrgenommen werden. Das würde vor allem dem Narrativ wiedersprechen, es gäbe lediglich innere und äußere Feinde des türkischen Volks.
Der Generalsekretär des Europarats Jagland, der am Donnerstag für einen zwei-tägigen Besuch in Ankara eintraf, macht vor wie es funktionieren kann: Als erster europäische Politiker besuchte er nach dem Putschversuch die Türkei. Er kann sich daher nicht vorwerfen lassen, er würde unsolidarisch handeln. So übte er nachvollziehbare Kritik an der türkischen Rechtsstaatlichkeit und machte deutlich, dass es keine „Anti-Türkei-Kampagne“ in Europa gibt.
„Kollateralschäden“ in beiden Gesellschaften sitzen tief
Der Wille der türkischen Regierung für einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen ist derzeit groß. Doch jede deutsche Regierung wird sich bei außenpolitischen Fragen auch nach der öffentlichen Wahrnehmung orientieren. Die hat in puncto Türkei enorm gelitten. Daher werden sich zukünftige Bundesregierungen schwer tun, eine auf Dialog und Diplomatie beruhende Türkeipolitik durchzusetzen.
Doch gerade die geduldige deutsche Diplomatie hinter verschlossenen Türen war in den vergangenen Wochen und Monaten erfolgreich: Peter Steudtner und Mesale Tolu wurden aus der Haft entlassen. Auch Deniz Yücel kam nach einem Jahr ohne Anklage aus dem türkischen Gefängnis frei. Bei den weniger öffentlichen Fällen scheint es ähnlich voran zu gehen.
Die Türkei hat außerdem jüngst ein Positionspapier in Brüssel eingereicht, in dem sie darlegt, wie sie das umstrittene Anti-Terror-Gesetz ändern möchte, um u.a. die Rechte von Journalisten zu stärken. Das bedeutet zwar nicht, dass nach der Änderung keine Journalisten mehr angeklagt werden könnten, aber mit dieser Maßnahme geht die türkische Regierung einen ersten Schritt auf das EU-Parlament zu.
Diese ersten Fortschritte widersprechen denjenigen, die der Meinung sind, eine deutsche Türkeipolitik sollte sich lediglich auf das Äußern von Kritik an der Türkei vor deutschen Medien beschränken.
Annäherung bisher mit wenig Nachhaltigkeit
Stattdessen betonte der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel in den vergangenen Tagen immer wieder, dass Gesprächsformate auf den unterschiedlichsten Ebenen mit der Türkei wiederbelebt werden müssten. In der Vergangenheit folgten auf solche Forderungen aber selten konkrete Taten. Dies ist insofern bedenklich, dass die bilateralen Beziehungen weiterhin auf fragilem Grund stehen, denn die hohe Gesprächsbereitschaft der türkischen Regierung ist vor allem auf den Pragmatismus in der türkischen Außenpolitik zurück zu führen.
Gerade das Superwahljahr 2019 in der Türkei könnte erneut zu Krisen in den bilateralen Beziehungen führen. Die einzige Möglichkeit dem vorzubeugen ist die bilateralen Beziehungen auf belastbare Säulen zu stellen. Dafür müsste die neue Bundesregierung den bilateralen Austausch institutionalisieren, vor allem auf der gesellschaftlichen Ebene. Die drei Millionen Deutsch-Türken könnten hierbei eine „Brücke für vernünftiges Miteinander“ sein, wie es Angela Merkel bei der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Yildirim beschrieb. Dies setzt jedoch voraus, dass Deutsch-Türken befähigt werden, sich konstruktiv einzubringen.
Der Kommentar ist am 19. Februar 2018 in der HuffingtonPost Deutschland erschienen. Die Meinung des Autors muss nicht der Meinung des Vereins entsprechen. Der Deutsch-Türkische Jungdiplomaten e.V. sieht sich als Plattform für Dialog und ermöglicht (deutsch-türkischen) Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Diskurs mit der deutschen und türkischen Zivilgesellschaft zu treten.
Titelbild Bildquelle: MSC / Mueller